Hoffnung auf mehr Lehrlinge und Meisterpflicht

Hoffnung auf mehr Lehrlinge und Meisterpflicht

 

Kurz vor Weihnachten 2018 gab es für die Zunft der Drechsler erfreuliche Nachrichten: Das Expertenkomitee der deutschen UNESCO-Kommission in Berlin hat die Aufnahme des Traditionshandwerks in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes beschlossen. Es ist damit eine von bislang nur 97 eingetragenen lebendigen Kulturformen.

 

Initiiert hat die Bewerbung für die UNESCO-Liste der Maßbacher Drechslermeister Wolfgang Miller. Ein erster erfolgreicher Schritt nach zweijährigen Bemühungen war im März 2018 die Aufnahme ins Verzeichnis für den Freistaat Bayern. Der stellvertretende Verbandsvorsitzende, der neben seinem 1745 gegründeten Betrieb auch die Ausbildung an der Berufsschule leitet, sieht ein wichtiges Ziel erreicht: „Wir sind eine kleine Berufsgruppe und werden oft nicht für voll genommen. Mit dieser Auszeichnung aber sind wir etwas Besonderes, finden in der Politik mehr Gehör und auch bei der Bevölkerung mehr Beachtung.“ Und selbst wenn der Kulturerbe-Titel nicht finanziell dotiert und nicht gewerblich nutzbar sei: „Er lässt mein Herz höherschlagen – es ist eine ganz wichtige Imagesache, diesen außergewöhnlichen Status zu bekommen!“ So erhofft sich Miller, dass dadurch die Kollegen wieder mehr Stolz auf ihren Beruf und Standesbewusstsein entwickeln und wieder mehr Auszubildende in ihre Betriebe aufnehmen, um somit ihr Wissen an die nächste Generation weiterzugeben.

Für Thomas Mörtel, der in Fürth die Geschäfte des Deutschen Drechsler- und Holzspielzeugmacherverbandes führt, ist die Auszeichnung die verdiente Würdigung eines jahrtausendealten Handwerks, „das von seiner Vielfalt und vor allem auch seiner künstlerischen Ader lebt“. Der Verbandsgeschäftsführer erwartet eine positive Initialzündung durch die Aufnahme ins Kulturerbe sowie einen Anstieg der Lehrlingszahlen: „Wir haben die große Hoffnung, dass wir mehr Interessenten finden und fördern können, um so die professionelle Gesellenausbildung bis zum Drechslermeister im Land erhalten zu können. Dies bedeutet Zukunftsfähigkeit und Erhalt von Qualität und Leistungsfähigkeit für den gesamten Beruf.“

Solche handwerklichen, aber auch gesellschaftliche Traditionen zu bewahren, ist eines der Ziele des Immateriellen Kulturerbes. Das Verzeichnis in Bayern zählt bis dato 37 Einträge, das bundesweite fast 100 – darunter das Flechthandwerk, das Köhler- oder das Reetdachdecker-Handwerk, aber auch Traditionen wie die Deutsche Brotkultur, das Bauhüttenwesen oder die Flößerei. Die jetzt bekanntgegebenen 18 Neuaufnahmen des Jahres 2018 sollen Mitte 2019 mit einer feierlichen Urkundenübergabe in der Bundeshauptstadt besiegelt werden.

Bundesinnungsmeister Walter Hoppe sieht in der Auszeichnung die Bemühungen vieler Jahre belohnt, das Drechslerhandwerk und seinen Bundesverband zu erhalten. Er will sie als Argumentationshilfe nutzen, um die politischen Gremien davon zu überzeugen, eine „Rückvermeisterung“ zu beschließen – also den Meisterbrief wieder zur Voraussetzung für die Selbstständigkeit zu machen. Denn nur so sei es möglich, der Aufgabe, die durch die Aufnahme entstanden ist, gerecht zu werden. Die Politik dürfe in Zukunft jedenfalls keine „leichtfertigen und unüberlegten Entscheidungen“ mehr treffen, die das Drechslerhandwerk gefährden könnten.

Dieser Artikel ist im DrechslerMagazin Ausgabe 46 / Frühjahr 2019 erschienen.

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