Wilfried Aust – Veerbte Leidenschaft

Wilfried Aust – Veerbte Leidenschaft

Wilfried Aust – Veerbte Leidenschaft

Handwerklich war ich schon immer geschickt. Eine Ausbildung im Alter von 15 Jahren zum Kfz-Mechaniker und später eine zweite Ausbildung als Landschaftsgärtner lehrten mich den Umgang mit den vielfältigsten und unterschiedlichen Materialien, Werkzeugen und Fertigungsarten. Die Lehre als Kfz-Mechaniker erwies sich jedoch schnell als Fehlentscheidung. Nach dem Abschluss nutzte ich mein erworbenes Wissen nur, um meine eigenen Autos sowie die meiner Freunde in der Garage meiner Eltern möglichst günstig zu reparieren. Damals in den Siebzigerjahren war ein guter Freund beispielsweise überglücklich, als seine Giulia S 1.6 nach einer kompletten Überholung des Motors und dem Einbau neuer
Pleullager wieder schnurrte wie ein Kätzchen. Die Ausbildung und die berufliche Tätigkeit als Landschaftsgärtner begeisterten mich deutlich mehr als der Umgang mit Öl und Metall und ich schätzte den gestalterischen Umgang mit den verschiedensten Materialien, Sträuchern, Bäumen und Pflanzen. Heute bin ich im Gesundheitswesen tätig und Familienvater von vier heranwachsenden Kindern.
Den Bezug zum Holz hat mir mein Vater mit auf den Weg gegeben. Sein Beruf als Zollbeamter erfüllte ihn nicht und er baute sich als Ausgleich zu seiner Schreibtischtätigkeit eine großzügige Werkstatt im Keller seines Hauses aus. In dieser Werkstatt standen alle Holzbearbeitungsmaschinen und Werkzeuge, die in jeder gut ausgestatteten Schreinerei zu finden sind. Alle stationären Maschinen hat er in den frühen Sechzigern zumindest mit gebaut oder sie wurden nach seinen Vorstellungen angefertigt. Er baute Zeit seines Lebens unzählige Schränke, Möbel, Küchen, Betten und sonstige Utensilien aus Holz für sich und seine Familie. Ebenso viele Stücke fertigte er für Freunde und Bekannte an und verbrachte somit den größten Teil seiner freien Zeit in der Werkstatt. Sein umfangreiches handwerkliches Können im Bereich der Holzbearbeitung wurde mir tatsächlich aber erst wirklich bewusst, als ich selbst versuchte, für meine neu gegründete Familie Möbel anzufertigen. Meine erste Sitzbank aus massiver Eiche mit integriertem Schuhschrank entstand unter seiner fachlichen Anleitung in der heimischen Werkstatt. Je mehr ich mich mit Holz auseinandersetzte, umso mehr wurde mir klar, dass ich von ihm und seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz sehr viel lernen konnte. Ich fand es unglaublich, wie sich aus einem grob geschnittenen und schmutzigen Brett durch sorgsame und fachgerechte Bearbeitung die ganze Schönheit eines vordergründig unscheinbaren Holzes entfalten konnte. Altersbedingt übergab mir mein Vater nach und nach seine Werkstatt. Ich begann über die Jahre, die alten selbstgebauten Maschinen meines Vaters durch moderne Maschinen und Werkzeuge zu ersetzen. In dieser Zeit baute auch ich alle möglichen Schränke, Tische und Regale für unser Zuhause. Irgendwann sah ich eine Reportage über das Schaffen der Shaker in Amerika, eine kleine religiöse Gruppierung der protestantischen Freikirche in den USA, mit dem Streben nach der höchsten handwerklichen Produktqualität. Ich war fasziniert von ihrer Arbeitsweise sowie der Klarheit und schlichten Eleganz der Einrichtungsgegenstände und Möbel. Heute kann das Leben und Wirken der Shaker im Sabbathday Lake Shaker Village in New Gloucester (Maine) besichtigt werden. Viele ihrer Ideen und Arbeiten werden auch heute noch für Gebrauchsgegenstände aufgegriffen oder spiegeln sich sogar in modernen Designobjekten wider. Besonders angetan hatte es mir zu dieser Zeit der Schaukelstuhl Brethren´s Rocker. Ich beschloss, diesen Stuhl nachzubauen. Die Herstellung von Rundstäben war für dieses Vorhaben unerlässlich und somit benötigte ich eine Drechselbank, die nicht zu meinem Repertoire gehörte. Die ersten Versuche auf der Drechselmaschine meines Vaters – eine umlegbare, selbstgebaute Standbohrmaschine – scheiterten in den ersten Ansätzen. Ich gelangte zu der Erkenntnis, dass Drechseln eine völlig andere Art der Holzbearbeitung ist, mit der ich mich bisher noch nie auseinandergesetzt hatte.

Sie möchten weiterlesen? In der Ausgabe 64 des DrechslerMagazins finden Sie den ganzen Artikel.

Steckbrief

Name:
Wilfried Aust

Ich drechsle seit:
2015

Meist verwendete Holzarten:  
einheimische Hölzer wie Kirsche, Nuss, Ahorn, Esche

Meine Werkstattgröße in m²:  
25 m²

Die drei meist benutzten Drechselwerkzeuge:
0/13/16-mm-Schalenröhre, Meißel, Ausdrehhaken (Wiedemann), Woodcut ProForme

Weitere Maschinen in meiner Holzwerkstatt:
Bandsäge Hammer N3800, Formatkreisäge Hammer, Hobelmaschine Hammer A31, Säulenbohrmaschine DQ25, Trockenschleifer Drechselmeister, Poliermaschine Optimum, Absaugeanlaage Felder AF22

Mein ausgeübter Beruf ist/war:
dipl. Psychiatriepfleger/Stationsleiter

Meine Homepage:
www.hegau-woodturning.de

PLZ / Ort:        
78269 Volkertshausen

Schwerpunkt meiner Projekte:
Schalen, Hohlformen, Vasen, Mühlen, Schreiber

Kursteilnahme bei folgenden Drechslern:
Martin Adomat, Peter Andres

Modell der Drechselbank bzw. Drechselbänke:
Stratos XL

Ich schärfe meine Drechselwerkzeuge:
trocken; Langsamläufer CBN-Scheibe 200mm, Diamantstift, Schleifsteine

Sonstige Tätigkeiten mit Holz:
Möbelbau (Schränke, Tische, Regale, Hocker)

Regelmäßig trifft man mich beim Drechsler-Stammtisch:-
bis zur Coronapandemie: bei Martin Adomat

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